Der plötzliche Spaziergang

Zur Erklärung vorab: Dieser Text entstand im Zuge einer Übung zu Krimi und Thriller bei Marlen Schachinger. Vorgegeben war der erste Absatz, geschrieben von Franz Kafka. Von da an sollte daraus unter weitgehender Beibehaltung des Schreibstils ein Krimi, ein Thriller oder eine Horrorgeschiche gemacht werden.

„Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und das Haustor abgesperrt ist, und wenn man und trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, sofort straßenmäßig angezogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach Schnelligkeit, mit der man die Wohnungstür, mehr oder weniger Ärger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der Gasse wiederfindet … (Franz Kafka)

… welche da nur schwach beleuchtet ist, wenn der Wind einem nun das Herbstlaub ins Gesicht weht, man umkehren, zurück ins warme Heim will, aber trotzdem weiter geht, dann kommt man an jene verheißungsvolle Brücke, jene Brücke, von der früher Hexen mit Gewichten an den Füßen geworfen wurden, jene Brücke, an der im Krieg die Franzosen aufgehalten wurden, jene Brücke, die seither immer wieder finsteren Schauplatz bietet, man kommt hin, der Vollmond von düsteren Wolken verhangen, die Bäume an den Ufern kahl und Klauen ähnlich, man will sich abwenden, fort von der dunklen Brücke, aber wenn man dann hinter sich ein Knurren hört und meint, zu dem Knurren gehören lange Zähne, so geht man weiter, dreht sich nicht um, fürchtet, wenn man sich umdreht, sind da wirklich Zähne, man dreht sich nicht um, blickt gerade aus auf die Brücke, geht auf sie zu, hört ein Fauchen links, ein Knarren rechts, man geht schneller auf die Brücke zu, hofft auf die Erlösung, die sie nie gebracht hat, man blickt doch zurück, sieht Schemen im Dunkel, man weiß, es geht nicht, aber doch leuchten rot die Augen, man sieht gerade aus, findet sich auf der Brücke wieder, sieht vor sich am anderen Ufer auch noch Schemen, man kann nicht weiter, nicht zurück, hört das Knurren von beiden Seiten, unter einem rauscht der Fluss, die roten Augen kommen näher, man wünscht, man wäre zu Hause geblieben, man sieht die Köpfe der roten Augen, meint, sie wären wie Schädel von Hunden, mit schwarzer Haut überzogen, man klettert auf das Geländer, ein Schädel schnappt, man springt.“ (Andreas Kapl)

Ein Gedanke zu “Der plötzliche Spaziergang

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